Magnus Zanon berichtet:
Wie in jedem Jahr, so fand auch heuer am Beginn der besinnlichen Zeit das Adventturnier des Schachklub Cobenzl im Restaurant Waldgrill nahe einem der Gipfel des Wiener Hochgebirges statt. Hängt der Nebel nicht zu tief, genießt man hier einen herrlichen Blick über die Stadt. In solch einem Ambiente lässt es sich natürlich herrlich schachen, und auch wenn es quasi um nichts geht, außer der Freude am Spiel, nicht mal Elopunkte können errungen oder verspielt werden, so ist das Turnier doch eine Teilnahme wert.
Es war diesmal meine zweite Teilnahme nach über einem Jahrzehnt, ich war als Nummer Eins gesetzt und hatte zumindest den Ruf eines Magnus zu verteidigen.
Die erste Runde war noch recht gemütlich, doch schon in der zweiten wehrte sich mein Gegner trotz des Elounterschiedes vehement. Erst in einem Springerendspiel mit einem Mehrbauern konnte ich die Partie zu einem vollen Punkt verwerten. Die nächste Paarungstabelle brachte mir den Veranstalter, Dragnev Lubomir, Vater des Großmeisters Valentin, als Kontrahenten. Die Partie war zunächst kompliziert, ein Springeropfer hätte Herrn Dragnev wohl im Spiel gehalten und für Gegenspiel gesorgt, so wurde dieser aber immer passiver, was am Ende zu seiner Niederlage führte. Mit 3 Punkten aus 3 Runden war ich recht zufrieden und positiv gestimmt für das Tiroler Duell in Wien. Keim Simon wählte in der Tarrasch Variante des Franzosen für Weiß allerdings eine nicht kritische Fortsetzung, was dazu führte, dass ich meine Stellung ohne Probleme stabilisieren und den d4 – Bauern, der hier meist nach dem Manöver Sb1-d2-b3 fällt, behalten konnte. Nun wartete mit Somansundram Jayakumar ein altbekannter Gegner. Schon Anfang der 2010er Jahre wurde der Herr aus Sri Lanka für seine weite Anreise zum Lienz Open vom damaligen und derzeitigen Obmann auf Englisch gelobt, obwohl dieser schon seit Jahrzehnten in Wien ansässig ist. Sumsi, wie er liebevoll genannt wird, war erst vor wenigen Wochen in der Wiener Betriebsliga mein Gegner und fegte mich dort mit einem taktischen Scharmützel vom Brett. Umso mehr dürstete es mich nach Rache :). Auch diese Partie war taktisch geprägt, konnte aber diesmal von mir siegreich beendet werden. Ein rückständiger Bauer auf b7 war meinem Gegner zum Verhängnis geworden.
Nun waren die Stakes high, 5/5, und der letzte Spieler, der mir gefährlich werden konnte, wartete mit 4.5 Punkten. Ramoser Mario erwiderte meinen Franzosen mit der Vorstoßvariante und dem bekannten Opfer auf d4. Er spielte aber ungenau und ließ auch den e5 schlagen. Ich war zu sehr auf die kritischen Varianten eingestellt und stand bald deutlich schlechter, sogar völlig hinüber.

Ich fand hier den sensationellen Zug Lc6 und drohte meinen Gegner zu überlasten, verlor dabei völlig aus dem Blick, dass Sc7+ sehenswert die Partie gewinnen würde. Mein Gegner tat es mir aber Gott sei Dank gleich und spielte Sf5, was nach Dd7, Db3 und Le7 nicht weniger kompliziert und ungut war. Es folgte korrekt e6 fxe6 und schon wieder sah’s für Schwarz ziemlich düster aus.

Nun hätte ich nach Tad1 erneut die Segel streichen können. Wichtig war hier, dass Sxe6 wegen Ld5 Sxg7 Kf7 und Txf5+, wegen Dxf5 nicht direkt funktionierte, was wir beide sahen, allerdings wäre statt Txf5+ Dg3 furchtbar stark gewesen, weil sich Schwarz nicht mehr rühren kann und 1000 Abzüge drohen. In der Partie geschah aber LxL und KxL, was auf den ersten Blick auch verlockend aussah, aber hier folgte nach Tad1 Ld4! Nun schlug mein Gegner auf e6 ein und dachte, der b7 Bauer hinge mit Schach mit, welcher aber durch den Läufer gedeckt ist, somit folgte ein Damenschach. Wer aber glaubt, dass die Partie einfach gewonnen ist mit wenig Zeit, irrt sich.

Nach Dd4+ Kc7 Da7 hängt der König schon wieder halb in der Luft. Es war schon spät geworden und ich war nicht mehr klar im Kopf, denn Db6 nebst Lc6 sichert die Partie. Stattdessen lief ich mit dem König zurück ins Zentrum, um mich so vor den Schachs der Türme zu verstecken. Am Ende fand sich folgende Stellung am Brett.

Mein letzter Zug war ein völliger Patzer. Ich dachte De5+ Kf8 Dxe4 funktioniert nicht wegen Tc1+, was auch Partiefortsetzung war, doch hier kam der schockierende Db4+ und die Stellung ist völlig ausgeglichen, 0.0 und mein König plötzlich entblößt. Doch genau als mein Gegenüber Db4+ aufs Brett setzte, fiel seine Zeit auf 0 und ich gewann.
Ordentlich Schwein gehabt und mit 6/6 stand ich quasi als Sieger fest. Die Buchholz-Wertung führte ich auch an. So nahm ich die letzte Partie zwar noch recht ernst, spielte aber etwas dubios, opferte einen Bauern, da ich dachte „Mein Gegner traut sich eh nicht, diesen zu nehmen“, was er aber tat und fand mich bald in einer ziemlich schlechten Stellung wieder. Ich wurstelte mich irgendwie wieder heraus und drohte nun mindestens Dauerschach, war sehr entspannt, zu entspannt, denn anstatt das Dauerschach zu geben oder meinen König in Sicherheit zu bringen, nahm ich sorglos einen Bauern und blunderte eine Springergabel. Meine Dame war dahin, so auch die perfekten 7/7, der Turniersieg war mir aber auf Grund der Feinwertung dennoch vergönnt.
Hinter mir fanden sich Tuczka Andreas, der mich bezwungen hatte, und Ramoser Mario ein. Insgesamt nahmen 40 Teilnehmer am Turnier teil.
Bericht: Magnus Zanon
Ergebnisse: https://s1.chess-results.com/tnr1301487.aspx?lan=0&SNode=S0
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