Magnus Zanon berichtet

Nach meinem letzten Bericht über schnellere Formate folgt nun einer über ein besonderes Turnier im klassischen Zeitmodus (90min/40 Züge +30 min + 30 sec von Zug 1 an) – das Inklusions- Schachopen. Hier ist der Name wirklich Programm, es geht um Inklusion. Das Turnier, diesmal in der dritten Auflage, wird vom Blinden- und Sehbehindertenverband Wien/Niederösterreich/Burgenland veranstaltet und somit nehmen auch viele Mitglieder des Vereins an diesem Turnier teil. Die Atmosphäre ist sehr speziell, denn vor allem in den ersten Minuten ist der Geräuschpegel, anders als in den meisten Turnieren, relativ hoch. Man vernimmt ständig Wortfetzen wie Springer nach Dora 2 oder Bauer nach Emil 4. Gerade in der Raummitte ist es schwer, die Konzentration zu Beginn aufzubauen (Erfahrung aus Runde 4), da blinde Spieler meist fixen Brettern zugeordnet sind, diese gut erreichbar sein müssen und da die Spitzenbretter meist ganz vorne sind, hat man sich bei diesem Turnier auf die mittleren beiden Reihen geeinigt. 

Es nahmen 6 Spieler mit einer stark eingeschränkten Sicht bzw. blinde Spieler teil – diese hatten auch ein eigenes Steckbrett bei sich -, dann noch 3 SpielerInnen mit eingeschränkter Sicht – diese spielten am „normalen“ Turnierbrett, hatten aber A4 – Zettel zur Notation bereitgestellt bekommen – und dann noch zwei Spieler, die im Rollstuhl saßen und auch teilweise (Gesichts-)lähmungen (und dadurch eine Sprachbehinderung) hatten. Besonders die Partien zwischen blinden Personen und Menschen mit Sprachbehinderung stellen eine große Herausforderung dar, da die Züge oft schwer zu verstehen sind und auch die Begleitpersonen der Rollstuhlfahrer des Schachs nicht immer mächtig sind. So entstanden einige brenzlige Situationen, die teils in Streit eskalierten, da die Stellung am Steckbrett nicht mit dem am großen Brett übereinstimmte (Wobei man hier fairerweise dazu sagen muss, dass viele der jüngeren Generation des Telefonalphabets heutzutage nicht mehr mächtig sind und etwas Hilfeleistung oder eine Einführung des Schiedsrichters benötigten). Mit Hilfe des Schiedsrichters (Stubenvoll) konnten aber auch diese Partien regulär beendet werden. Zusätzlich zu den Steckbrettern, gab es auch behindertengerechte Uhren. Anders als die klassischen DGT, hatten diese mehr Knöpfe und Kopfhöhrerausgänge, sodass per Knopfdruck die aktuelle Zeit durchgesagt werden konnte. Die Partien selbst wurden, anders als bei gewöhnlichen Turnieren, nicht von den Spielern eröffnet, sondern vom Schiedsrichter. Erst nachdem dieser den Startknopf betätigte, durfte gezogen werden.

Nun aber kurz zu meinem persönlichen Abschneiden.

In Runde 1 bekam ich es gleich mit dem jungen Talent Penker Dominic zu tun. Gerade mal 14 Jahre und schon über 1700 Elo, da heißt es aufpassen. Gott sei dank versuchte er sich in einem Benoni, eine Eröffnung gegen die ich gern spiele. B5 konnte ich bis spät in der Partie verhindern, mein Springer landete schon sehr früh auf c4, sein Gegenspiel war früh unterbunden, so konnte ich einen ungefährdeten positionellen Sieg einfahren. Bemerkenswert ist die Schlussstellung – Materialgleichheit, aber keine Möglichkeit mehr, zu ziehen.

Mit Krejcar Walter wartete nun mein Angstgegner. Aus irgendeinem Grund spiele ich gegen diesen Herren immer besonders schwach bzw. er gegen mich genauer als gegen andere. So ist der direkte Score – trotz 300 Elo Unterschied – 2:2. Auch in dieser Partie konnte ich die Kontrolle nicht bis zum Ende halten und er bekam gefährliches Gegenspiel. Ein Freibauer auf der d-Linie holte aber den vollen Punkt für mich nach Hause.

In der 3. Partie hatte ich es mit einem jungen tschechischen Spieler zu tun. Er holte in den letzten Turnieren immer ein Eloplus von 70 oder mehr heraus, weshalb auch hier aufzupassen war. Diese Partie war extrem scharf und taktisch sehr kompliziert. Sein König schien in einem Mattnetz gefangen zu sein,

doch der Schein trog, der Gewinn war alles andere als leicht zu finden und blieb mir in der Partie verborgen. Spätestens zum Zeitpunkt im Diagramm hätte ich den Turm auf f2 spucken müssen für Dauerschach.

Ich wollte aber immer noch gewinnen und schlitterte trotz extremer Zeitnot meines Gegners in eine total verlorene Stellung, welcher diese gnadenlos mit einer tollen Mattkombination verwertete.

In Runde 4 hatte ich es mit einem sehbehinderten Mitspieler zu tun. Er war auf Grund meiner Elozahl sichtlich nervös und spielte übervorsichtig. Die Strafe folgte schnell und die Partie war bald entschieden. Nach der Partie plauderten wir noch über eine Stunde über Persönliches. Die Niederlage machte ihm wenig aus, er war noch voller Energie und Tatendrang, musste aber wegen einer Erkrankung das Turnier am nächsten Tag abbrechen. Schade, man sah, wie viel Freude ihm dieses Turnier bereitete – hoffentlich nächstes Jahr wieder.

Etwas angeschlagen, vielleicht sogar mit leichtem Fieber, musste auch ich das 5. Spiel bestreiten. Zunächst erwischte mich ein Gegenüber in einer seltenen Variante des Franzosen am falschen Fuß. Ich musste in den ersten Zügen viel Zeit investieren, erreichte dann aber eine bessere und bald gewonnene Stellung. Die Bewertung schwankte zwischen +2 und +5 aus meiner Sicht. Den Mattangriff traute ich mir auf Grund der Erfahrungen in der 3. Partie nicht zu und ich wickelte in ein gewonnenes Endspiel ab. Zwei Läufer mit Mehrbauer gegen Springer und Läufer – klingt leichter, als es ist. Der Gegner hatte einen gefährlichen Freibauern, den ich zu Beginn des Endspieles unterschätzte. In der folgenden Stellung

halluzinierte ich vollkommen, zog Ld7, weil ja Lc6+ drohte und ab da wurde der Wahn immer schlimmer. Zu guter Letzt stellte ich die Partie sogar noch ein, in dem ich in ein verlorenes Bauernendspiel abwickelte – die Höchststrafe.

Auch der nächste Tag war gesundheitlich noch mit Problemen behaftet. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Mein Glück war, dass mein Gegner mit 1600 Elo ein deutlich schwächerer Spieler war, sodass eine solide Partie ohne großen (eigenen) Fehler reichte, um den vollen Punkt zu holen.

Last Round – erneut eine Person mit Sehbehinderung. Diesmal eine junge Frau, gerade einmal 18 Jahre alt. In der Eröffnung investierte sie viel Zeit und landete dennoch in einer schlechten Position. Nun hatte sie für 25 Züge nur noch 2 Minuten auf der Uhr und ich war mir siegessicher. Plötzlich begann sie sehr schnell und präzise zu ziehen. Mein ganzer Vorteil verpuffte, sie bekam sehr viel Gegenspiel, mein König war plötzlich offen und ihre Figuren aktiv. Zwischenzeitlich stand sie fast auf Gewinn. Ich hatte alle Hände damit zu tun, den Laden irgendwie zusammen zu halten. Im 39. Zug passierte ihr zum Glück ein kleiner Fehler, sodass sie Damen tauschen musste und ich in einem gewonnenen Endspiel landete. Die Technik war nicht brillant, aber gut genug, um das Turnier mit 5/7 zu beenden.

So landete ich am Ende auf Platz 8 von 70, auch weil in der Schlussrunde einige Spieler auf den Spitzenbretter auf die Partie verzichteten (meist stand ein Urlaub im Weg). Zusätzlich gab es ein Elominus von 15 Punkten. 

Sieger des Turniers war GM Ilia Balinov, vor dem jungen talentierten Raphael Prober und GM Nikolaus Stanec, der unerwartet viele halbe Punkte abgeben musste. Nach der Siegerehrung gab es noch ein Gruppenfoto mit allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, die noch anwesend waren. 

Alle Ergebnisse: https://s3.chess-results.com/tnr1125754.aspx?lan=0&SNode=S0

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